Wolfgang Laur

* 1.12.1921 Riga, † 26.8.2009 Schleswig
Nachruf von Alf Schönfeldt

Am 26. August 2009 starb das älteste ordentliche Mitglied der Baltischen Historischen Kommission, Dr. Wolfgang Laur,  im Alter von 87 Jahren. Er wurde am 1. Dezember 1921 in Riga geboren, besuchte dort das Klassische Gymnasium bis zur Oberprima – und gehörte somit zu jenem Jahrgang, der wegen der Umsiedlung 1939 das Abitur gerade nicht mehr in Riga ablegen konnte. Von diesen 20 Klassenkameraden haben nur 8 den Krieg überlebt.

Laur hat 1940 an der Schiller-Oberschule in Posen sein Abitur gemacht und im Oktober 1940 sein Studium der Germanistik, Nordistik und Geschichte in Greifswald begonnen und 1941 in Posen fortgesetzt – er wurde aber 1942 zur Flak einberufen, 1945 verwundet und geriet dann für kurze Zeit in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Seine Familie fand er in der Nähe von Schleswig wieder – Schleswig wurde dann  schließlich für ihn zum Thema und zum Ort seines Wirkens und Lebens – hier ist er auch gestorben.

Laur konnte sein Studium nach dem Krieg im Winter 1946 an der Universität Kiel wieder aufnehmen – für seine Fächerkombination fand er hier die besten Bedingungen: Er promovierte 1949 mit der Arbeit „Germanische Heiligtümer und Religion im Spiegel der Ortsnamen. Schleswig-Holstein, nördliches Niedersachsen, Dänemark“. An eine Veröffentlichung war zu der Zeit natürlich nicht zu denken – sie erschien erst zu seinem goldenen Doktorjubiläum, und es sagt viel über die Qualität der Dissertation aus, dass sie 50 Jahre nach der Erarbeitung noch gedruckt wurde.

Um die Erforschung von Ortsnamen ging es schon in dieser Dissertation, und topographische Namen bleiben sein Thema während seines langen Lebens. Nach Jahren verschiedener Forschungshilfen hatte er das Glück, dass am Landesarchiv in Schleswig schließlich eine Stelle für ihn geschaffen wurde mit der ausdrücklichen Aufgabe, die topographischen Namen Schleswig-Holsteins zu sammeln und zu erforschen. Was dem Laien vielleicht als einseitige Spezialisierung erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine vielseitige Ausrichtung: detaillierte Kenntnis der Topographie sowie der prähistorischen und historischen  Entwicklung des Landes verbunden mit der Kenntnis der niederdeutschen, dänischen,  friesischen und slavischen Dialekte und auch deren Entwicklung; Grundbedingung für diese Kombination ist eine akribische philologische  Liebe zum Detail, die Laur wahrlich besaß.

Sein wichtigstes Opus ist das „Historische Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein“ aus dem Jahr 1967; viele Monographien und weit über 200 Aufsätze hat er publiziert. Im Rahmen einer engen Zusammenarbeit mit Friedhelm Debus war es ihm möglich, viele namenkundliche Dissertationen, die am germanistischen Seminar der Universität Kiel entstanden, unterstützend zu begleiten. Der Verfasser dieses Nachrufs freute sich immer wieder, wenn er im Flur dieses Instituts Laur begegnete, der durch stetiges Fragen zeigte, dass er mit irgendwelchen sprachhistorischen  Problemen beschäftigt war. Als hohe Würdigung seiner Verdienste um die niederdeutsche Philologie wurde ihm 1985 der Jost-van-den-Vondel-Preis verliehen, und 2006 erhielt er aus der Hand des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen im Rathaus von Eckernförde für seine Verdienste um das Land die Schleswig-Holstein-Medaille.

Wenn auch Laurs wichtigste Untersuchungen Schleswig-Holstein betreffen, so ist sein Arbeitshorizont doch sehr viel breiter gewesen: vielen norddeutschen Regionen, aber auch allgemeinen theoretischen namenkundlichen Fragen galt sein Interesse, eine Arbeit über Toponyme im Hamburger Raum soll postum erscheinen.

Laur ist seit 1963 Mitglied der Baltischen Historischen Kommission gewesen; er hat seit 1954 hier mehrfach referiert und über sprachliche Themen des Baltikums publiziert. Ähnlich wie in Schleswig-Holstein ist die Toponymik der baltischen Länder ja geprägt durch das Nach- und Nebeneinander verschiedenster Sprachen. Laur hat seine vielfältigen Beobachtungen 2001 im Heft „Deutsche Orts-, Landes- und Gewässernamen in den baltischen Ländern“  zusammengefasst; schon früh hatte er sich mit den Begriffen „baltisch“ und „Balten“ und dem Namenpaar „Reval“ und „Tallinn“ auseinandergesetzt und hatte „Ostpreußische Einflüsse im baltischen Deutsch“ untersucht. 1957 hat er in der „Lautbibliothek deutscher Dialekte“ ein Heft zur Sprache in Riga vorgelegt und damit dokumentarisch die baltische Aussprache festgehalten, die seinerzeit auch und gerade bei Göttinger Tagungen der Baltischen Historischen Kommission (vor allem in Diskussionsbeiträgen älterer Teilnehmer) zu hören war. Er selbst hat seine typisch baltische Sprechweise, die nunmehr nahezu ganz ausgestorben ist, stets bewahrt. 

Alf Schönfeldt