Eine schöne Historie von wunderbaren Geschäften der Herren zu Livland mit den Russen und Tataren (1508)

Editionsprojekt von Juhan Kreem und Matthias Thumser

Gegenstand des Projekts ist die Neuedition des Traktats ‚Eynne schonne hysthorye van unnderlyken gescheffthen der heren tho Lyffflanth myth den Rüssen unde Tartaren‘ aus dem Jahr 1508. Die Entstehung der anonymen Schrift steht in engem Zusammenhang mit einer Ablasskampagne im deutschen Reich, welche die finanziellen Mittel für die Fortsetzung des Krieges des livländischen Deutschordenszweiges gegen das Großfürstentum Moskau aufbringen sollte. Verfasst wurde sie in der Umgebung des Deutschen Ordens, vielleicht von dem Ablasskommissar Christian Bomhower.

Der auf mittelniederdeutsch geschriebene Traktat ist unikal in der Handschrift H 131 der Universitätsbibliothek Uppsala aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts überliefert und umfasst 83 Blätter. Möglicherweise ist der Textzeuge auf eine in Köln verlegte Druckausgabe zurückzuführen, von der allerdings noch kein Exemplar bekanntgeworden ist. Die Abfassung auf niederdeutsch deutet darauf hin, dass er vornehmlich für ein relativ breites, bürgerliches Publikum im Reich bestimmt war. Die Schrift ist in eine Vorrede und 19 Kapitel gegliedert. Hiervon enthalten die ersten fünf eine landeskundliche Beschreibung Livlands, Russlands und der Länder der Tataren. Außerdem wird der antirussische Traktat ‚Elucidarius errorum ritus Ruthenici‘ des Krakauer Theologen Johannes Sacranus verarbeitet. Es folgt in zwölf Kapiteln eine historische Erzählung der Auseinandersetzungen Livlands mit dem Großfürstentum Moskau von 1492 bis 1507. Den Abschluss bilden mit zwei Kapiteln eine Invektive gegen die Kritiker des Ablasses und ein Lob des Deutschen Ordens. Die ‚Schöne Historie‘ ist bislang in einer Edition von Carl Schirren aus dem Jahr 1861 greifbar, die heutigen Ansprüchen in keiner Weise genügt. Von der Wissenschaft fand sie bislang nur wenig Beachtung. Zu nennen sind die Beiträge von Friedrich Benninghoven, Matthias Thumser und Juhan Kreem.

Die Schrift bietet eine Selbstsicht des Deutschen Ordens in Livland, die ihresgleichen sucht. Ausgerichtet auf die Ablasspropaganda im Westen und Norden des Reichs, führt sie detailliert die vorgeblichen Missetaten der Moskowiter gegenüber den Livländern auf und gibt ihnen die Schuld an den erfolglosen Verhandlungen im Anschluss an die kriegerischen Auseinandersetzungen. Eindringlich beschreibt der anonyme Autor die militärischen Aktionen des Deutschen Ordens und der hilfebedürftigen Livländer. Die Argumentation steht in der alten Tradition, Livland als vormure edder vorschylth der ganzen Christenheit darzustellen. Inwieweit die Schrift angesichts ihrer ideologischen Polarisierung zwischen moralisch recht handelnden Livländern und stets übelwollenden Russen als zuverlässige Quelle betrachtet werden kann, ist fraglich. Von erheblichem Interesse ist aber, wie sie die Stimmung der Zeit reflektiert und instrumentalisiert.

Literatur:
Eynne Schonne hysthorie van vunderlyken gescheffthen der heren tho lyfflanth myth den Rüssen vnde tartaren, hg. v. C. Schirren, in: Archiv für die Geschichte Liv-, Est- und Curlands 8 (1861), S. 113-265, Text S. 115-180.

Friedrich Benninghofen, Rußland im Spiegel der livländischen Schonnen Hysthorie von 1508, in: Zeitschrift für Ostforschung 11 (1962), S. 601-625; auch in: Rossica Externa. Studien zum 15.-17. Jahrhundert. Festgabe für Paul Johansen zum 60. Geburtstag, Marburg 1963, S. 11-35.